Montag, 22. September 2008

Beidaihe

Wir kommen gerade aus einem sehr spannenden Wochenende aus Beidaihe (ausgesprochen: Beydei'che) zurück. Dieses Nest liegt ca. 3 Zugstunden von Peking entfernt und was früher ein beliebter Badeort für Bonzen und hohe Tiere der Partei. Mittlerweile ist es zu einen "normalen" Badeort mutiert, was die Sache nicht wirklich belebt hat...

Aber von Anfang an: Nach den ganzen Strapazen der letzten Woche, wie die 24h Zugfahrt (s.u.), erfolglose JetLag-Bekämpfung, Matrikulierung an der Uni, Orga unseres Lebens hier in Peking, Zurechtfinden an der Uni, Fahrradkauf (zu diesen Themen später mal mehr), dachten wir uns, wir hätten uns ein wenig Urlaub verdient. Irgendjemand fand zu diesem Anlass Beidaihe und da wir eh nur auf Entspannung und Strand aus waren, paßte uns das alles gut in den Kram. Die Tickets waren schnell und recht unkompliziert organisiert und freitags mittags gings mit dem Zug los.
Nach einer mir unendlichen lang erscheinenden Suche nach einem Hotel (wir wollten nicht das erst beste Hotel nehmen, was uns unser Fahrer riet; und mit 5 Personen diskutiert man halt schon mal länger, was die beste Alternative sein könnte), wurde uns allen mal wieder klar, wie aufgeschmissen man ohne Chinesichkenntnisse ist. Wir erkundigten uns in einem Hotel nach dem Preis. Nachdem wir den normalen Preis von 680 Yuan auf 200 Yuan pro Zimmer heruntergehaldelt hatten, wollte ich das gerade erreichte noch einmal klarstellen und holte mit meinen paar Brocken Chinesisch aus: "Drei Zimmer. Ein Zimmer für 200 Yuan." Das muss wohl sehr souverän geklungen haben haben. Daraufhin bestürmte mich nämlich eine der Rezeptionistinnen (insgesamt betreuten uns drei) und legte los... KEIN WORT hab ich von dem verstanden, was sie mir klarmachen wollte! KEIN WORT! Schon bitter. Irgenwie haben wir es geschafft, die Zimmer zu buchen und einzuziehen.

Lenas Gesichtsausdruck, als sie etwas ekeliges bei uns im Zimmer erblickte....
... und zwar das: Schimmelnde Kaffeereste. Bis jetzt wusste ich nicht einmal, dass Kaffee überhaupt schimmeln kann.

Da kommt schon fast wieder Weihnachtsstimmung auf. Schön kitschig bunt wurde die Bäume an der Hauptstraße in Beidaihe gestaltet.

Da sich schon kollektiver Hunger breit gemacht hatte, entschlossen wir uns die küstentypische Küche zu kosten: Seafood. Ein kleines Restaurant in der Nähe der Strandpromenade erweckte unsere Aufmerksamkeit und nachdem wir eine englische Karte in die Hand gedrück bekamen, erkoren wir es für den ersten Seafood-Versuch in China. Wir wunderten uns noch über die Karte, deren Orginalpreise mit neuen und höheren Preisen überklebt waren. Ich dachte noch, "naja, die werden ihre Preise für diese Saison wohl angeschraubt haben", da warf Rainer der Bedienung schon ein "Tai guile!"- "Zu teuer!" entgegen. Prompt nahm sie uns die Karte wieder ab und schob uns die unmaipulierte Karte zu. WIE WAHNSINNIG DREIST!
Hier kann man sich seinen Fisch/Krebs/was auch immer direkt vor dem Verspeisen aussuchen.

Da werden alle die über den Tisch gezogen, die kein Chinesisch sprechen. Die Preise wurden teilweise verdreifacht und hatten somit westliche Maßstäbe erreicht! Dass dieser Touristennepp so schamlos betrieben wird, hätte ich in meinen wildesten Träumen nicht erahnen können. Letzlich waren wir auch eher mediumbegeistert von unsere Wahl. Julians fretierte Shrimps erschienen ihm schon sehr alt, Lenas Fleisch konnte eigentlich nicht als Fleich bezeinet werden, sondern bestand zu 50 Prozent aus Panade... Ich hatte Glück mit meinen Shrimps mit Gemüse und Cashewkernen. Mir schmeckte es sehr gut und auch den anderen gefiel diese Gericht am besten.

Dieser gute Qaulitätswhiskey ist uns in Beidaihe über den Weg gelaufen. Ob Jack Daniels wohl wusste, dass er einen chinesischen Zwillungsbruder namens Jieka hatte..?

Nun kommen wir zum eigentlichen Abenteuer des Tages:

Rausgehen auf Chinesich- oder was tun wenn es nix gibt...

Wir hatten leider nicht mitbekommen, dass die Haupsaison in Beidaihe schon vorbei war. So im Nachhinein hätte uns schon auffallen müssen, dass wir den ganzen Abend über recht wenige Leute in der Stadt gesehen hatten. Nur vereinzelte Russen lockerten das Bild der verwaisten Stadt auf. Wir bemerkten erst was Sache war, nachdem wir erfolglos versucht hatten eine Partylocation zu finden. Weder der uns am Bahnhof angepriesene "Barpark" noch ein an ein Hotel angeschlossener Club hatten geöfnet. So standen wir aufgebrezelt vor diesem Laden und hatten nicht wirklich einen Plan, was wir machen sollten. Nur im nächsten Ort, Qinghuandao (trotz seiner 300.000 Einwohner auch ein richtiges Provinznest), gäbe es Möglichkeiten raus zu gehen. Ich hatte darauf persönlich keine große Lust, doch das Drängen von Bartek, der schon scharf darauf war das chinesiche Nachtleben zu erkunden und die unschlagbar günstigen Taxipreise überzeugten schliesslich auch mich. Wir fuhren für 5 € nach Qinghuandao und wurden von unserem äußerst willigen und entgegenkommenden Taxifahren (er hat sich tatsächlich Mühe gegeben, uns zu verstehen- lag aber vielleicht auch daran, dass er eine Menge Umsatz witterte) am La Scala, einem Entertainment Club, rausgeworfen. Ohne wirklich zu wissen was ein Entertainment Club ist, bezahlten wir die 20 Yuan Eintritt und fieberten der ersten chinesichen Disko entgegen. Als wir hereinkamen bot sich uns aber ein ganz anderes Bild. Ins Auge viel im ersten Moment nur ein ausgeleuchtete Bühne mit einem Stuhl und einer gröhlenden Menge davor. Ich dachte nur "á la Superman": "Was ist es? Ist es ein Striplokal? Ist es eine Karaokebar? Nein, es ist..." So wirklich wissen wir es immer noch nicht...
Eine Stipbar wars jedenfalls nicht: Zwar waren die auftretenden Sängerinnen spärlich bekleidet, doch sie zogen sich nicht aus. Auch eine Karaokebar konnte es nicht sein- es fehlten die Bildschirme zum ablesen der Texte, und außerdem waren die Auftritte mit Backgroundtänzern und Nebeleffekten mindestens semi-professionell organisiert.

Es traten verschiedene Sänger und Sängerinnen auf, die 2-3 Lieber zum besten gaben. Natürlich auf Chinesisch. Sie wurden wild vom Publikum angefeuert und wurden in regelmäßigen Abständen von ihnen mit diversen Alkoholika versorgt. Als wir uns dann noch ganz nach vorne vor die Bühne setzten und von dem Moderator begrüßt wurden, war der Ofen echt aus. Ich hätte mich vor Lachen bepissen können... Dann trat noch ein Shaolin Mönch auf. Er machte die Verwirrung perfekt, indem er mit seinem Kopf ein Metallstück zerbrach und sich einen Nagel durch den Hals scho. Ich konnte mich zwischenzeitlich schon gar nich mehr vor lachen einkriegen. Die ganze Sache war einfach zu abgefahren! Dann - wie hätte es anders sein können - kam mein großer Auftritt. Ich wurde für ein Kunststück des Mönchs mit zwei weiteren Chinesen auf die Bühne gebeten. Erst wollte ich nicht, doch nachdem sich der Mönch in den Kopf gesetzt hatte einen der 5 Westler im Club auf die Bühne zu befördern und die anderen 4 wohl noch ernergischer mit dem Kopf schüttelten als, blieb mir keine andere Wahl. Mir war im Grunde schon klar, dass ich irgendwas machen musste, als wir die Plätze wechselten und plötzlich direkt in Greifweite der Bühne saßen. Mir passiert so ein Mist andauernd...
Jedenfalls wurde mir bedeutet, mich auf die Schultern des knienden Mönchs zu setzten. Die anderen beiden Chinesen dienten zu Stabilisierung des chinesich-deutschen Gespanns, während der Mönch (mit mir obenauf) auf 2 auf dem Boden und mit der scharften Kante nach oben zeigende Messer stieg. Damit nicht genug. Mit meinen immerhin 80kg auf seinen Schultern ging er auch noch in die Knie. Der arme Tropf musste sich so sehr anstrengen, dass ihm der Schweiß in Strömen von der Nase tropfte. Hätte er einen der beiden leichtgewichtigen Chinesen ausgewählt, wär ihm das sicherlich nicht so schwer gefallen...
Ich war von seiner Leistung sehr beeindruckt!

Leider ist von seinen Messern hier nichts zu sehen, aber glaubt mir, da waren welche!

Nach meinem Intermezzo im Showbiz wurde ich wieder ins Publikum entlassen, wo ich mich in der Umgebung meiner neuen Fans angemessen feiern ließ... ;)
Kurze Zeit später wurde die ganze Bühne heruntergefahren, Technomusik eingeworfen und die Leute strömten auf die gerade entstandene Tanzfläche. Wo gerade noch live performt worden war, zappelten jetzt meist männliche Chinesen zu harten Beats. "Na gut", dachten wir uns, "dann laßt uns den Chinesen mal zeigen wie man Party macht!" Die die Gelegenheit bot sich nicht wirklich. Nach gefühlten 5min wurden aus den Partyveranstaltern Partypooper! Um 12.20Uhr war die Tanzfläche plötzlich menschenleer und das Licht ging an. Ende im Gelände. Die Party ist aus. Wir wurden quasi schon rausgefegt... Also an die chinesichen Partysitten muss ich mich erstmal gewöhnen. Uns erst mit komischen Performances von Tanzen abhalten und dann das ganze Ding schon nach einer halben Stunde dicht machen... Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Ich hoffe hier in Peking gibts auch "normale" Clubs. Die ganze Sache war schon richtig witzig, doch zu kurzweilig und passiv.

Frühstück am Morgen danach: Baozi (Fleisch in Teigklößchen) und handgemachte Nudeln...mhhh...
Hier sieht man, wie der Koch die Nudeln direkt am Straßenrand vor dem Restaurant frisch anfertigt. Schon ein sehenswerte Angelegenheit.
Zum Essen bekommt man in Plastik verpacktes Esszeugs: Inhalt: 1Löffel, 1Tasse, 1Glas, 1Teller. Das Öffnen der Verpackung und somit die Nutzung des Geschirrs kostet 1Yuan. Schon eine Touriabzocke!

Weiteres zu unserem Lieblingsbadeort morgen. Jetzt gehts erstmal ins Bett.

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