Also los gings also letzten Donnerstag Abend. Wir hatten Schlafplätze für ein Hardsleeper gebucht.
Kurz zu Erklärung: Das chinesische Klassensystem bei Zügen, ist dadurch gekennzeichnet, dass es keine Klassen gibt. Ist wohl darauf zurückzuführen, dass alle gleich sein sollen und China keine Klassengeschalft ist... jedenfalls gibt es keine erste Klasse oder ähnliches in Zügen. Dafür wird nach dem Maß der Bequemlichkeit unterteilt. Bei Langstrecken gibt es Softseeter, bei denen in jedem Abteil nur 4 Personen schlafen und das Abteil sogar eine Tür hat. Beim Hardseeter schlafen in jedem Abteil zwar nur 3 Personen, doch da es zwischen jeweils zwei Abteilen keine Trennwand gibt, sind es effektiv 6 Personen, die in 3 Etagen übereinanderliegen. Das unterste Bett ist das teuerste und das oberste das günstigste. Das ohnehin schon geringe Maß an Privatsphäre wird durch das nicht Vorhandensein von Türen zum Flur nicht wirklich gefördert, so dass man im Grunde mit dem ganzen Wagon seinen Schlaf, seine Unterhaltung, seine Schnarcher und jeden Furzer teilt. Neben dem Sleeperbereichen gibt es noch den Seaterbereich, der auch in Softseater und Hardseater unterteilt ist. Hier treffen ähnliche Unterscheidungen zu. Im Softseater sitzten insgesamt weniger Leute, die Sitze sind bequemer und sogar verstellbar.
Insgesamt war die Reise im Hardsleeper ganz in Ordnung. Ich habe zwar nicht viel schlafen können, doch das hatte eher mit schlechten Kissen zu tun, was mir üble Nackenschmerzen bereitete. Ansonsten kann eine Menge Lärm mit Ohropax ausblenden. Mal wieder hatten wir keine Rückreise gebucht, doch wir waren zuversichtlich, dass wir etwas in Xi'an organisieren könnten. Doch wieder mal mussten wir uns eines besseren belehren lassen und das obwohl es doch gar keine National Holydays gab... Jedenfalls gab es für unseren Rückreisetag (Sonntag) weder Softsleeper, Hardsleeper, noch Softseater! Die einzige Möglichkeit bestand entweder einen Hardseater zu buchen oder einen Tag später zu fahren. Letzteres kam allerdings nicht wirklich in Frage, da wir am Dienstag eine Präsentation halten mussten, die noch nicht mal in den Grundzügen vorbereitet war... Auch Flugalternativen konnten uns nicht überzeugen. Also mussten wir wieder einmal in den sauren Apfel beißen und buchten für unsere 12h Rückfahrt die Plätze im Hardseater (über dieses Erlebnis später mehr). Wenig begeistert fing so unser erster Tag in Xi'an an.
Um große Menschenmengen und Touristengruppen zu vermeiden, entschieden wir uns direkt am Freitag zu der Terakottaarmee zu fahren. Diese liegt etwa 1h außerhalb von Xi'an. Der erste Kaiser der Qin Dynastie des vereinigten Chinas ließ diese für seine Grabanlagen anfertigen, damit sie auch im Jenseits von seiner Wichtigkeit zeugen und ihn beschützen konnten. Die Qin Dynastie dauerte insgesamt kaum mehr als 20 Jahre und obwohl dieser Kaiser langfristige Reformen der Bürokratie und des Staatssystems durchführte, gerieten die Grabanlagen über die letzten 2200 Jahre in Vergessenheit, bis sie Bauern 1974 bei Brunnenarbeiten entdeckten. Seitdem gelten sie als 8. Weltwunder; jedenfalls wollten uns das sämtliche Prospekte zun den Terrakottakriegern weiß machen. Zwar fand ich die Grabanlagen sehr interessant und beeindrucken und auch die Tatsache, dass jeder einzelne Krieger ein unterschiedliches Gesicht haben soll, zeugt von der Raffinesse und Fortgeschrittenheit der chinesischen zu diesem Zeitpunkt, doch hätte ich mir gewünscht den Kriegern an sich ein weniger näher zu kommen. Mir ist zwar klar, dass man dieses Problem nicht lösen kann ohne den Zustand der Krieger zu gefährden, doch irgendwie blieb die ganze doch ein wenig abstrakt. Dies hing evtl auch damit zusammen, dass wir keinen Tourguide hatten, der uns mit zusätzlichen Infos versorgen konnte und dass man nach ausführlichen englischen Beschilderungen vergeblich suchte.
Trotzdem bin ich froh eine der wichtigsten archäologischen Entedeckungen des 20. Jahrhunderts gesehen zu haben und einen kleinen Eindruck gewonnen zu haben.
Insgesamt gab drei Ausgrabungsstätten. Hier posieren die anderen vier vor der zweiten Ausgrabungsstätte, wo man zwar tausende Tonkrieger vermutet, man allerdings keinen sehen kann...
... dafür gabs ein paar ausgestellte Tonteile, die man sich hinter einer Vitrine etwas näher betrachten konnte. Hier ein überraschend detailgetreues Pferd...
Das beeindruckendste war allerdings die Ausgrabungstätte Nr.1, in der zig tausend Krieger nebeneinander Wache stehen! Die schiere Größe kann einfach nur verblüffen! Hier noch ein paar Eindrücke:
Abends schlenderten wir durch das muslimische Vierten in Xi'an, wo wir einige Essenssachen und Leckereien ausprobierten. Und wie es so ist, wenn man einfach mal Sachen bestellt ohne zu wissen, was sie wirklich sind, gab es einige Volltreffer (wie die getrockneten Früchte von Lena oder eine Gemüsetasche) und ein paar Nieten (wie angebliche Kartoffeln, die wie gebratene Gelantine schmeckten oder süßer Reis am Stiel, der mit eine Soße überzogen war, die nach Kloreiniger schmeckte).
Eine uralte Brotverkäuferin. Ich will gar nicht wissen wie lange sie dort schon ihr Brot verkauft...
Da Rainer, Lena und ich uns entschieden am Samstag den Hua Shan, einem der fünf heiligen Berge des Taoismus, zu bsteigen, schenkten wir uns die Partypläne von Bartek und Julian und machten uns "schon" um 1 Uhr ins Bett. Wir wollten schliesslich die ersten Punkte auf der Spiritskala ergattern. Daher gaben wir uns mit 5,5h Schlaf zufrieden und quälten uns um 6.30 Uhr wieder aus dem Bett um einen Bus um kuz nach 8 Uhr zu erwischen. Aus dem eingenhändigen besteigen wurde aus Zeitmangel leider nichts. So "bezwangen" wir den Berg mit Hilfe einer übertuerten Seilbahn. Aber anstatt 5h dauerte die Besteigung dann nur 10 min. Das gibt evtl Abzüge auf der Spiritskala, doch wenigstens hatten wir so genügend Zeit die unterschiedlichen Gipfel zu erkunden. Das taten wir wie immer nicht allein. Auch auf Grund des Wochenendes war dieser ganze heilige Berg voll mit Touristengruppen, die sich gegenseitig die Hügel hinaufschoben und dabei Gefahr liefen sich über den Haufen zu rennen bzw. von den teilweise sehr engen Wegen zu stoßen. So ging die spirituelle Erfahrung zwischen den fahnenschwenkenden Touriguides, den Fotoständen, Essensbuden und Souvenirverkäufern ein wenig verloren.
Uns wurde empfohlen wegen den kalten und dreckigen Metallketten und -absperrungen, an denen man sich beim Klettern festhalten muss, Handschuhe zu kaufen.
...unter anderem sich fotografieren lassen, wobei das Foto direkt vor Ort ausgedruckt wird. Fragt sich nur, wer so was im Zeitalter von Digitalkameras immer noch macht?!
Aber dafür entschädigte die wahnsinnige Aussicht und wir erwischten sogar einen Gipfel, der in der Gunst der chinesischen Touris wohl nicht so hoch steht. Dort konnten wir für 15min so etwas wie Ruhe genießen, bevor wir schon wieder zurück zur Seilbahn hetzen mussten, damit wir unseren letzten Bus zurück nach Beijing nicht verpassen würden. Soweit die Theorie. Zwar hatten in Erwartung von einer riesigen Menschtraube schon einige Zeit für Anstehen eingeplant, doch die Dimensionen, die sowas in China annehmen können unterstätzten wir maßlos. Nicht nur waren wir wegen des geballten "Rückreiseverkehrs" auf den Bergwegen sehr viel länger zur Seilbahnstation unterwegs, sondern mussten insgesamt auch eine Stunde anstehen und uns den Drängelversuchen von diversen frechen alten Frauen erwähren, bevor wir endlich in die erlösende Gondel hereinplumpsen konnten. Schlange stehen in China ist echt eine nervenaufreibende Aktivität. Immer muss man aufpassen, dass sich keine an einem vorbeimogelt, ansonsten landet man ganz schnell am Ende der Schlange. Andauernd hat man Ellbogen im Rücken, drückende Knie am Arsch und grabbelnde Finger am Rest des Körpers. Und wenn man dann noch in den Augen dieser kleinen niedlichen alten Damen keine Freundlichkeit sondern nur das Suchen nach der nächsten Überholmöglichkeit erkennt, muss ich regelmäßig meine Aggressionen zurückhalten um meinen Ellenbogen nicht in ihre niedlichen kleinen Nasen zu rammen (die sich zufälligerweise auf der gleichen Höhe wie meine Ellebogen befinden).
Als sich dann der Himmer aufzog, bot sich eine weite Sicht ins Tal herein. Angeblich fließt dort unten auch irgendwo der Yangtse.
Für ein wenig Klimpergeld kann man sogar noch seine buddhistischen Pflichten in diesem Tempel nachkommen.
Überall auf dem Berg werden Schlösser verkauft, die man zusätzlich mit den Namen und den Namen des/der Liebsten gravieren lassen kann. Schliesst man dieses Schloss dann irgendwo an diesem Berg fest, verspricht das ewige Liebe. Schon etwas kitschig, doch die Chinesen scheinen drauf zu stehen, wie man an der Masse der Schlösser erkennen kann.
Ich sah unseren Bus schon davonfahren, da uns von einer Mitarbeiterin des Busunternehmens gesagt wurde, dass der letzte Bus um 18 Uhr fahren würde und unsere Rückreise zur Haltestelle nicht nur die Seilbahnfahrt, sondern auch noch eine weitere Bus- und eine Taxifahrt beinhaltete. Das private Taxi, welches wir erwischten, brachte uns dann direkt zu einer Haltestelle, wo, wie der Zufall es wollte, gerade ein Bus nach Xi'an hielt und sogar noch Plätze frei waren. Als wir uns gerade über unser Glück und gutes Timing freuten, holte der Busfahrer einige Schemel aus dem Gepäckraum hervor, die wohl als unsere Sitze für die 2,5-stündige Fahrt dienen sollten. Darauf wollten wir uns nun beim besten Willen NICHT einlassen (man denke nur mal an eine Vollbresung und daran dass man dann 3 Westler vom Inneren der Windschutzscheibe kratzen kann) und stiegen wieder in unser Taxi, um zum Busbahnhof zu gelangen, wo auch noch ein halbleerer Bus auf uns wartete. Obwohl es mittlerweile schon nach 18 Uhr war, machte dieser Bus noch min. 20 min keine Anstalten sich in Bewegung zu setzen. Die Lehre die wir daraus ziehen können, ist dass Fahrpläne in China generell eher flexibel ausgelegt sind und sobald genügend Bedarf vorhanden ist, fährt immer ein nächster Bus.
Der letzte Tag stand ganz im Zeichen von Xi'an. Schliesslich waren wir schon zwei Tage dort und hatten wegen unseren Trips von der Stadt an sich kaum mehr als ein paar Straßenzüge vom Bus aus gesehen. So radelten wir mit dem Fahrrad über die Stadtmauer. Diese wurde im 14 Jahrhundert unter den Ming erbaut und bis heute einigen Renovierungen unterzogen, die es überhaupt erst möglich machen mit dem Fahrrad einigermaßern geradeaus zu fahren. Außerdem waren wir froh, dass die Stadtmauer nicht wie früher 83 qkm umschliesst, sondern eine Fläche, die gerade mal ein siebtel deren ist. So schafften wir die Umrundung in gut 2h. Von dort oben hatte man einen guten Einblick in das alltägliche Leben der Menschen, die uns von unten nur selten wahrnahmen, und zum anderen konnte man die Abreißwut der Chinesen erkennen. Da wuden ganze Stadtviertel abgerissen oder Schluchten in selbige geschlagen. Zwischen dem ganzen Schutt kabbelten Menschen, die Dreck abtrugen, nach Brauchbarem suchten oder einfach nur wiederverwertbare Backsteine abtransportieren. Ob das genehmigte Aktivitäten waren oder einfach nur Leute, die aus der Situation das beste herausschlagen wollte, war nicht wirklich ersichtlich. Aber irgendwie war das schon eine bedrückende Szenerie. Irgendjemand warf ein, dass es so wohl nach dem 2.Weltkrieg ausgesehen haben muss...
Hier mal ein Blick in die Küche. Zum Frühstück gabs Nudeln, die direkt von einem großen Laib Teig ins Wasser gehobelt wurden.
Wir organisierten uns 3 normale Fahrräder und ein Tandem, mit dem wir abwechselnd fuhren. Shitloads of Fun!
Blick auf drei Kartenspielende Chinesen, die sich einfach mitten auf der Straße breit gemacht haben.
Letzter Tagesordnungpunkt war die "Big Wild Goose Pagoda", eine Pagode, in der aus Indien importierte buddhistische Heiligtümer aufbewahrt wurden und der dazugehörige Tempel. Von der Pagode aus, die man hinaufgehen konnte, sollte man einen guten Blick auf die Altstadt haben. Leider ist dieser Blick mit dem Entstehen der Hochhäuser um die Pagode herum verlorengegangen. Zwar war der Blick immer noch ganz nett, doch von der Altstadt und der Stadtmauer konnte man lange suchen.
"The Big Wild Goose Pagoda" und das ein Brunnenspiel davor. Nachts gibts dazu Lichteffekte, welches das ganze Schauspiel zum größten Brunnen-Licht-Spektakel in ganz Asien macht.
Nun zur Rückfahrt im Hardsleeper... Oh Mann, was was für ein Abenteuer. Die Sitze waren eher weniger-als-medium-bequem, wir waren mal wieder die einzigen Westler, was wie immer für ein gewissen Maß an Aufsehen und Interesse sorgte. Schon beim Anstehen am Gate wurden wir als Gruppe von allen Seiten beobachtet, und als wir dann noch unseren McDonald's-Fraß rausholten gerieten wir zur regelrechten Attraktion. Verstohlende Blicke wurden zu regelrechtem Starren und wieder wurde die eine oder andere Handykamera gezückt um festzuhalten, dass man ein paar Westlern begegnet sei...
Um die Fahrt ein wenig angehnemer und erträglicher zu machen hatten wir Wein organisiert, der uns auch beim schlafen helfen sollte. Glücklicherweise hatte Lena zusätzlich an ein Kartenspiel gedacht. Der Chinese, der bei uns in der Sechser-Sitz-Konstellation saß wurde kurzerhand ins Kartenspiel eingebunden und so wurde der erste Teil der Zugfahrt schon mal ein wenig verkürzt. Doch der Rest lief schlalftechnisch einfach katastrophal! Man sitzt da zu sechst, weiß überhaupt nicht wohin mit meinen Beinen und Kopf, vom Rücken ganz zu schweigen, das Licht wurde gar nicht erst aus gemacht und andauernd läuft irgendeiner an einem vorbei. Ich hab ja hier schon einige üble Zugafahrten mitgemacht, doch das setzte allem die Krone auf. Ich war so froh als der unfreundliche Schaffner mit dem Aufräumen anfing und die ausgelaufene Milch vom Vierersitz neben uns mit seinem Besen verteilte anstatt einfach aufzuwischen, weil dies bedeutete, dass Beijing nicht mehr weit entfernt sein konnte.
Doch trotzdem konnte von Schlafen danach keine Rede sein, denn wir mussten einen Tag später noch eine Präsi in HRM halten und die war ja noch nicht vorbereitet. Also verbrachten wir nach 3-4h Schlaf den Rest des Tages im SIT Café und verfielen regelmäßig in Fluchtiraden über HRM, die Thematik, die Dozentin, die dumme Zugfahrt, unsere hervorragende Vorbereitung und das Leben an sich....